Johannes Geccelli (1925–2011)
Es scheint, als würden die Werke von Johannes Geccelli von innen heraus strahlen. Unzählige Farben gehen kontinuierlich in einem kaum wahrnehmbaren Verlauf ineinander über. Dabei entfalten sich viele der Bilder vom Zentrum vertikal zum Rand hin, das Bild wird in zwei Hälften geteilt und bildet am Ende doch ein zusammenhängendes Ganzes.
Der Maler Johannes Geccelli wurde 1925 in Königsberg geboren. Nachdem er in den Kriegsdienst berufen wurde, nahm er 1947 das Studium an der Düsseldorfer Akademie auf. Seine Kommilitonen waren Otto Piene, Heinz Mack, Raimund Girke und Hans Salentin. Vor allem aber übte sein Professor Paul Binde großen Einfluss auf ihn aus und unterstützte ihn in seiner Auseinandersetzung mit den Zusammenhängen von Raum, Figur, Licht, Zeit und Farbe, die sein Werk zeitlebens prägen sollten.
In seinen frühen Arbeiten ist eine gewisse Nähe zum Deutschen Informell zu erkennen, von besonderer Bedeutung war für Geccelli allerdings die Italienische Avantgarde. Künstler wie Giorgio Morandi (1890–1964) vor allem aber Alberto Giacometti (1901–1966) hatten einen nachhaltigen Einfluss auf die Entwicklung seiner Schaffensweise. „Diese den Bildern innewohnende Spiritualität machte mich ungeheuer betroffen“, so Geccelli, als er Giacomettis Werk das erste Mal in der Galerie Maeght in Paris begegnete.
„Wie der Mensch zur Erscheinung wird“ ist sicherlich das Hauptmotiv Geccellis (Künstlergespräch mit Geccelli am 10. September 2007 im Kunstraum Alexander Bürkel anlässlich der Ausstellung Raumwechsel 9 in Freiburg). Sein Aufenthalt in der Villa Romana, als damaliger Preisträger war für ihn in den frühen Sechzigern der erste Impuls sich der auflösenden Figur zuzuwenden.
„Sie sehen hier eine Figur, die sich auflöst, eine Figur, die sich im Farbraum bewegt: Also Zeit und Farbe.“ Geccelli 2007
Die Figur, ihre Bewegung und die verstreichende Zeit – das sollte Geccelli zeitlebens beschäftigen. Sein künstlerischer Ansatz zu Beginn war es, die Figur in seinen Werken aufzurastern. 1972-73 machte er die Entdeckung, dass der Schatten eines Menschen nicht aus Umrissen, sondern vielmehr aus einem Schattenfleck besteht. Die Wahrnehmung des Umrisses ist eine kognitive Leistung des Betrachters. Infolgedessen ließ Geccelli die Figur zunehmend aus „Farbflecken“ entstehen.
George Rickey (1907–2002), mit dem er eine enge Künstlerfreundschaft pflegte, brachte ihn im Gespräch zu der Erkenntnis, die Figur in Relation zu der Fläche zu setzen. Die filigrane Figur, die bereits nur noch aus senkrechten Strichen bestand, wurde unterbrochen durch andersfarbige, ebenfalls schmale, senkrechte Farbstriche. So löst sich die Figur in dem Farbkontinuum fast auf, ist kaum noch wahrnehmbar und wird erst wieder sichtbar, wenn man sich von dem Werk entfernt. Der Betrachter muss also selbst in Bewegung bleiben, um die Bewegung der Figur zu erkennen, um sie aus dem Farbraum heraus zu begreifen.
Diese Figur steht in „sichtbarerer Abwesenheit“ und verschwindet in Johannes Geccellis Alterswerk gänzlich. Das Bild selbst wird zum autonomen Bild, was er wie folgt beschreibt:
Spiritualität = Abheben vom Materiellen
DAS IST DAS
Wir brauchen aus Gewohnheit Grenzen, um zu sagen: Das ist das und dieses ist jenes. Wir brauchen Gegensätze – und sind sie noch schwach -, um Grenzen zu erkennen. Sehen wir keine Grenzen und sind die Übergänge von Grenzen zu erkennen. Sehen wir keine Grenzen und sind die Übergänge von diesem zu jenem fließend, dann können wir nicht sagen: Das ist das.
Es gibt viele Bilder in den Museen, die zeigen Grenzen zwischen diesem und jenem. Es war für die Menschen wichtig, daß Bilder zeigen: Das ist das.
Aber mit der Zeit hat sich vieles in der Malerei geändert. Der Maler hat im Gegensatz zur alten Gewohnheit für ihn Wichtigeres erfahren. Er hat erfahren, daß das, was er sieht, Übergänge sind, fließende Grenzen. Er will nicht mehr durch Umgrenzungen zeigen, was für ihn im Grunde grenzenlos ist. Er überläßt es anderen zu sagen: Das ist das und dieses ist jenes.
Der Maler malt fließende Übergänge.
Er will nicht, daß man sich vorm Bild beim Feststellen von diesem und jenem aufhält. Man hält sich nämlich leicht bei dem auf, von dem wir schon Worte haben. Der Maler will nicht zu denen gehören, die immer schon Bescheid wissen, indem sie Worte als Grenzziehung verwenden. Der Maler malt das Bild, ohne einen Zeigefinger auf dieses oder jenes zu richten. Denn: Man ist ganz schön aus dem Schneider, wenn man sagen kann: Das ist das und dieses ist jenes. Man trägt dann beruhigt das leichte Gepäck der Worte nach Hause.
Der Maler ist nicht beruhigt.
Er malt etwas, was nicht ruhig gestellt werden kann.
Der Maler will nicht, das man das, was das Bild zeigt, ein für alle Mal feststeht. Er sagt: Du sollst nicht vom Bild weggehen und genau darüber Bescheid wissen.
Johannes Geccelli, Texte aus dem Atelier, 1997 Ostfildern-Ruit